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Freie Träger sind Beweger und Ideengeber

„Danke an allen Teilnehmenden, alle Akteure, alle Firmen und alle Mitarbeitenden, die unseren 12. Sozialkongress am 7. Juni in Bad Blankenburg unterstützt haben. Unser Ziel, mit dem Motto „Freie Träger - Motor für eine plurale Gesellschaft“ die Systemrelevanz freier Träger in die öffentliche Aufmerksamkeit zu rücken wurde erreicht - ja übertroffen.“ Dr. Klaus Scholtissek, Vorsitzender der Geschäftsführung der Diakoniestiftung Weimar Bad Lobenstein, zieht eine erfreuliche Bilanz. Der Sozialkongress ist gelungen. Die selbstbewusste Ansage „Freie Träger- Motor für eine plurale Gesellschaft“ wurde von allen Akteuren bekräftigt, ja gestärkt.    

>>> Zum MDR-Beitrag, Thüringenjournal 7. Juni 2023

>>> Zum TA/ OTZ-Beitrag vom 8. Juni 2023

>>> Zum Videomitschnitt des Kongresses

Mit mehr als 300 Gästen aus Politik und Kirche, aus Diakonie und Verwaltung, aus unseren Einrichtungen und von vielen freien Trägern in Mitteldeutschland haben wir gesprochen und auch direkt vor Ort, das eine oder andere bewegt. Dr. Friederike Spengler, Regionalbischöfin und Mitglied in den Stiftungsräten unseres Diakonieverbundes, nannte die Gäste in der Andacht zu Beginn des Kongresses „Beweger“. Ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei den freien Trägern wollen etwas bewegen - zum Wohl anderer Menschen und zur Verwirklichung von sozialer Gerechtigkeit.

Mike George, Bürgermeister in Bad Blankenburg, bezeichnete den Kongress als eine Plattform für alle, die sich zu sozialen, politischen, gesellschaftlichen und diakonischen Themen austauschen wollen. Denn dieser Austausch beschleunige den „Motor“.

Henrich Herbst, Superintendent in Weimar und Aufsichtsratsvorsitzender der Diakoniestiftung, schlug einen Bogen vom Jahr 1919, zum Jahr 2019 und in unsere Gegenwart: Wie hat die verfassungsgebende Versammlung 1919 in Weimar gesellschaftliche, kulturelle und religiöse Pluralität gesehen? 100 Jahre später zeigte die Feier zum Jubiläum der Weimarer Verfassung, bis hinein in den Gottesdienst in der Herderkirche, ein weiterentwickeltes Verständnis für die gesellschaftliche, kulturelle und religiöse Vielfalt. Freie Träger, Kultur und Kirchen sind kreative Anker in einer pluralen Gesellschaft.

Stark geprägt war der Kongress von den drei Hauptvorträgen. Beginnend mit Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, der klar und unmissverständlich Stellung bezog:  Freie Träger schaffen Angebote in Sozialräumen, in denen viele Menschen mitwirken können, stets an ihre individuellen Talente und Fähigkeiten angepasst. Freie Träger übernehmen Aufgaben, die der Staat alleine nicht leisten kann, weil sie flexibler reagieren können sind und nahe an den Menschen arbeiten. Neben Werkstätten und Wohnstätten für Menschen mit Handicaps, in denen er regelmäßig zu Besuch ist, war er am vergangenen Sonntag im inklusiv betriebenen, neu eröffneten Café Samocca in Weimar und zeigte sich sehr beeindruckt. Bei diesem neuen Angebot in Weimar in Kooperation mit der Klassikstiftung Weimar wird sichtbar, wie sich klassische Werkstätten für Menschen mit Behinderungen für innovative Arbeitsplätze öffnen können.    

Die Zukunftsaufgaben der Pflege nannte er eine große Herausforderung für alle Beteiligten und die ganze Gesellschaft: Auch in diesem Hilfefeld sind neue Ideen und Konzepte dringend gefragt. Freie Träger können hier eine Vorreiterrolle übernehmen.  Prof. Dr. Beate Hofmann, Bischöfin (Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck) und Diakoniewissenschaftlerin (Bielefeld), blickte zurück auf exemplarische Anfänge von freien Trägern: Meist gab es ein Problem, Menschen, die sich in einer schwierigen Situation befanden, Hilfe suchten und Menschen, die sich dieser neuen Aufgabe annahmen. Einzelfall-Lösungen entwickelten sich schrittweise zu einem guten Angebot für viele. Bischöfin Hofmann zeigt dies am Beispiel der Entstehungsgeschichte des Müttergenesungswerkes auf. Innovative Ideen und Konzepte, die Karriere machen, gibt es auch in unserer Gegenwart.

„Dies kann aber nur gelingen, wenn die Politik zeitgemäße, gute Rahmenbedingungen setzt.“ Sie sagte das mit Blick in Richtung Ministerpräsident Bodo Ramelow. Ohne klaren Auftrag, ohne auskömmliche Finanzierung ist dem freien Träger kein gutes Angebot möglich, so ihr Apell, der mit Beifall bekräftigt wurde.

Auch Prof. Dr. Armin Nassehi, Soziologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München, unterstrich den Wert freier Träger für eine plurale Gesellschaft. Sie sind Ideengeber und können neue Probleme mit neuen Lösungsideen angehen. So plural wie die Gesellschaft heute ist, so plural entwickelt sich auch die Träger-Vielfalt. Er betonte im Rückblick auf die Geschichte der freien Träger, dass bei den meisten die Nächstenliebe als leitendes Handlungsprinzip am Ursprung stand und steht.  Prof. Nassehi bestätigte das Bespiel des Müttergenesungswerkes und ging als ein weiteres Beispiel auf die Hospiz- und Palliativbewegung ein.

Prof. Nassehi betonte das Subsidiaritätsprinzip (Selbstrücknahme des Staates für bürgerschaftliches Engagement und freie Träger) und warb für eine konsequente Anwendung. Freie Träger finden mitunter bessere Lösungen, sie sind flexibel in der Umsetzung und für notwendige Anpassungen.

Die anschließende Podiumsdiskussion wurde von Tim Deisinger (MDR) moderiert:  

Katja Heinrich, Geschäftsführerin der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung - Landesverband Thüringen e.V., nutzte die Möglichkeit und sprach die Finanzierung freier Schulen an. Sie bemängelt, dass Förderschulen in freier Trägerschaft von Freistaat vergessen würden, zum Beispiel bei der Digitalisierung. Bei der Finanzierung der Pflege von altgewordenen Menschen mit einer Behinderung legte sie den Finger in die Wunde: die Finanzierung ihrer Pflege in ihren angestammten Besonderen Wohnformen wird viel zu oft nicht von der Pflegeversicherung übernommen.

Oberkirchenrat Christoph Stolte, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Mitteldeutschland, betonte, dass freie Träger wie die Diakonie die Fähigkeit und Haltung mitbringt, in einer pluralen Gesellschaft z.B. kultur- und religionssensibel zu pflegen. Er bittet sehr darum, die Regulationsdichte abzubauen, umso mehr Ressourcen für die Arbeit mit Menschen zu erhalten.  Gleichzeitig bedarf es einer solidarisch denkenden und handelnden Bürgergesellschaft, die ihre gesellschaftliche Eigenverantwortung wahrnimmt und die Mündigkeit jeder einzelnen Person schützt und entfaltet.  

Prof. Nassehi rief dazu auf, gerade den Schwächsten wirksam und dauerhaft zu helfen.  Vollmundige Versprechen, die nicht wirklich eingelöst werden, vergrößern nur den Vertrauensverlust in „die Politik“ und „die Eliten“.   

Nach einer Mittagspause wurde in drei Fachforen zu aktuellen Themen aus den Geschäftsbereichen der Diakoniestiftung diskutiert. 

Fachforum 1: Pflege als Sozialraumgestaltung und als Wirtschaftsfaktor - Angebot und Bedarfe regional gestalten

Fachforum 2: Erfolgreiche Gewinnung und Entwicklung Ihres Führungskräftenachwuchses

Fachforum 3: Zukunftsperspektiven der Eingliederungshilfe - BTHG erfolgreich umsetzen Referat mit anschließender Diskussion.

Bilder: Sandra Smailes
Text: Sandra Smailes/ Dr. Klaus Scholtissek