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Danke für einen besonderen Sonntag

Am Sonntag wurde das 170. Jahresfest des Michaelisstifts in Gefell mit den Bewohnern und ihren Angehörigen, Mitarbeitern, Freunden, Partnern, Spendern und Gästen unter dem Motto „Einander verstehen“ gefeiert – zunächst mit einem Festgottesdienst in der Kirche und anschließend in der Einrichtung und auf dem gesamten Gelände.

„Wir sind dankbar“, sagte Dr. Klaus Scholtissek, Vorstandsvorsitzender des Michaelisstiftes Gefell. „Wir wollen die Entwicklung im ländlichen Raum weiter mitgestalten, den Menschen nahe sein.“ Es sei nicht selbstverständlich, was man heute habe. Scholtissek erinnerte an die Zeiten, als noch ganz andere Bedingungen, an die sich Mitarbeiter sicher noch erinnern könnten, für behinderte Menschen herrschten. "Wir sind im Michaelisstift froh, und ich will nicht aufhören, davon zu reden, dass wir seit 30 Jahren in Freiheit, in freier, demokratischer Selbstbestimmung leben. Wir kennen, jedenfalls sehr viele von uns, die Zeit vor der friedlichen Revolution. Und wir wissen, welch elende Zustände gerade für Menschen mit Behinderungen geherrscht haben. Und wir wissen, was sich seitdem in Thüringen, im Saale-Orla-Kreis, hier konkret in unseren Häusern entwickelt und wesentlich verbessert hat. Das ist eben nicht selbstverständlich und dafür sind wir sehr dankbar. Wir sind im Michaelisstift froh, dass es den Landkreis Saale-Orla mit den verschiedenen Institutionen wie die Kreissparkasse gibt", sagte Dr. Scholtissek. 
„Gut, dass wir einander haben”, sang danach der Chor des Michaelisstiftes in der gut gefüllten Kirche. Die Geschichte der Emmausjünger und ihre Freude darüber, dass Jesus lebt, spielten Bewohner des Michaelisstiftes anschaulich. 
Dass sich Menschen nicht verstehen, erlebe er oft, meinte Pfarrer Axel Kramme, Rektor der Diakoniestiftung. In anderen Ländern oder wenn Menschen aneinander vorbei reden, auch wenn sie die gleiche Sprache sprechen. „Christus sagt: Der Glaube eint. Unsere Aufgabe ist es, Menschen einzuladen und zu gewinnen.“ Damit man auch Missachtung und Misstrauen entgegentreten könne. „Wenn wir offene Ohren und Herzen, offene Hände und Augen haben, dass wir einander sehen und nicht übersehen.“

Man erwartet von anderen, dass sie einen verstehen und versteht oft selbst andere nicht“, äußerte Markus Enders, der stellvertretende Vorsitzende des Stiftungsrates des Michaelisstiftes. Er gab den Leuten mit auf den Weg: „Versuchen Sie, Ihr Gegenüber besser zu verstehen“ – die Politiker die Wähler, Unternehmer die Mitarbeiter, Pfarrer die Gemeinde. „Wir müssen nicht immer alle der gleichen Meinung sein, aber man sollte einander verstehen, Verständnis aufbauen.“
Was haben 30 Jahre Mauerfall, 25 Jahre Saale-Orla-Kreis und 170 Jahre Michaelistift Gefell gemeinsam? „Mit der heutigen Losung Einander verstehen kann man die drei Jubiläen miteinander verbinden“, sagte Landrat Thomas Fügmann. „Es ist ein Motto für das ganze ­Leben.“ Behinderte Menschen seien genauso wertvoll wie nichtbehinderte Menschen. Das sollte man vor Augen haben und verstehen. In ihren Grußworten griffen auch Landtagsmitglied Stefan Gruhner und Gefells Bürgermeister Marcel Zapf die enge Verbundenheit zum Michaelisstift auf, Freude und Dankbarkeit in einem freien Land zu leben, dass Menschen mit Behinderung beste Möglichkeiten bietet und christlichem Glauben Raum gibt. Der Gefeller Bürgermeister nutzte sein Grußwort für einen Aufruf, eine Warnung: Man dürfe in diesen Tagen nicht nachlässig werden, nicht denen eine Bühne bieten oder gar Unterstützung gewähren, die Hass und Ausgrenzung tolerieren und heraufschwören.   

Wohnverbundleiter Andreas Berger lud nach dem Festgottesdienst und den Grußworten zum ­Jahresfest auf das Gelände der Gefeller Wohnstätten und in die Tagespflege ein. Dort gab es vieles zu erleben: Pferdekutschfahrten, kleine Wettbewerbe, Alpakas streicheln, Bogenschießen, Basteln, am Flohmarkt stöbern, an den Ständen der Werkstätten Altengesees oder Stelzen einkaufen. Im Festzelt, dass in diesem Jahr anenem anderen Standort aufgebaut war, wurden Posaunenklänge und später Discomusik geboten, dazu gab es Kaffee und Kuchen. In der neuen Grillhütte, die aus Spenden finanziert wurde und am Tag vor dem Jahresfest mit einer Dankesfeier eingeweiht wurde, konnten Bratwürste gekauft werden. Ein echter Hingucker war die Beachbar. Dort ließen sich Bewohner und Gäste so manchen Cocktail schmecken.
Ein wahrer Höhepunkt zum Fest war das Anschneiden der beiden großen Geburtstagstorten, gestiftet vom der Bäckerei Böhm und der Mitarbeiterin Jasmin Schäfer. Gisela Hartung, die nun seit 70 Jahren in Gefell im Michaelisstift lebt und dort betreut wird, durfte zusammen mit Sindy Pzötzschner vom Bewohnerbeirat und Anja Heinz, von der Mitarbeitervertretung, die Torten anschneiden.
Dann wurde bis in den frühen Abend gefeiert.