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Einigung über die Finanzierung?

Jan Schumann zur Einigung über die Finanzierung freier Schulen

Verlässlichkeit und Planungssicherheit hießen die wiederkehrenden Schlagworte, mit denen Gastgeber Klaus Scholtissek, Vorsitzender der Geschäftsführung der Diakoniestiftung Weimar Bad Lobenstein gGmbH einleitete. Scholtissek sprach von einem spürbaren Elternwillen, den es endlich politisch umzusetzen gelte.

Dass die freien Schulen einen starken Zulauf verzeichnen, eine Bereicherung für die Thüringer Bildungslandschaft sind und weniger schwerfällig am Bildungsmarkt agieren, blieb unumstritten. Die „Stimme der Muttis“ erhob Elternvertreterin Yvonne Neubeck-Aslan: „Gerade in Sachen Inklusion und Integration von Flüchtligen können wir freie Träger viel stärker einbinden.“ Auch Rolf Busch, Vorsitzender des Thüringer Lehrerverbandes ist angetan von der Mentalität freier Schulen: „Das Personal hält stark zusammen. Bevor ein Kollege entlassen wird, akzeptieren die Kollegen oftweniger Gehalt.“

Beifall von den etwa 50 Zuhörern erntete auch Winfried Weinrich vom Katholischen Büro Erfurt mit der Forderung, dass endlich die Kosten pro „staatlichem Schüler“ erhoben werden müssen. Deutlich auseinander gingen die Meinungen beim Thema Finanzierung. Von einem Koalitionskrach oder Stunk wollten die Vertreter der rot-rot-grünen Landesregierung jedoch nichts mehr wissen. „Die 1,9 Prozent wurden akzeptiert. Offen ist aber, wann es losgeht. Wir sind auf dem finalen Zentimeter der Gesetzfindung“, sagte Astrid Rothe-Beinlich (Bündnis 90/Die Grünen). „Das ist aber ein sehr langer letzter Zentimeter“, hakte Mike Mohring ein und bemängelte, dass es bis zum Beginn des neuen Schuljahres kein neues Gesetz geben werde.

TLZ-Chefredakteur Bernd Hilder, der die 13-köpfige Diskussion moderierte, stellte die These in den Raum, ob ein Bundesland nicht gänzlich auf freie Schulen setzen könne, wenn dieser Weg doch günstiger und flexibler sei? „Eine Horrorvorstellung, denn dann dauert es nicht lange, bis Schulen nur noch von Konzernen wie Facebook oder Apple regiert werden“ sagte Rechtsanwalt Ingo Krampen, der vor einem Jahr die Unrechtmäßigkeit der Finanzierung für freie Schulen erstritten hatte. „Hauptfehler der Thüringer Bildungspolitik ist, dass die Schulen freier Trägerschaft nicht auf Augenhöhe, sondern nur als Ersatz zu den staatlichen betrachtet werden.“ Dieses Ungleichgewicht müsse man schnell ausgleichen und dafür den Schüler-Kopf-Satz genauer berechnen.

Kirchenrat Marco Eberl, Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Schulstiftung in Mitteldeutschland warnte: „Die Situation der Schulen ist sehr kritisch. Die Personalkosten steigen um fast drei Prozent. Wir haben 20 Prozent Zulauf, 26 660 Schüler in 157 Schulen mit freier Trägerschaft in Thüringen, während auf staatlicher Ebene Null-Wachstum herrscht. Hierzulande pflege man einen Staatsblick. Da haben unsere Nachbarländer einen deutlichen Vorsprung, obwohl auch bei uns erhebliche Einspareffekte für die Kommunen möglich sind“, sagte Eberl und verwies auf den im Grundgesetz festgeschriebenen Pluralismus. „Zu uns kommen viele junge Lehrer, die tolle Ideen und Lust auf neues Konzept haben und aus ihren alten Strukturen ausbrechen wollen.“

Rothe-Beinlich pflichtete ihm bei: „Unsere Kinder sind sehr unterschiedlich, deshalb brauchen wir auch unterschiedliche Schulen.“

Elmar Otto zum Stichtagstreit

Sogar das Wort „Regierungskrise“ machte zwischenzeitlich die Runde. Auch wenn jeder, der in der rot-rot-grünen Koalition etwas zu sagen hat, diese Einschätzung gestern kategorisch zurückwies. Immerhin gehe es „nur“ um die Finanzierung der freien Schulen. Und dass es zuletzt am sehr frühen Dienstagmorgen in der Staatskanzlei laut wurde und Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) außer sich war, sei doch kein Maßstab, hieß es.

Gleichwohl haben sich Linke, SPD und Grüne nach diversen Spitzentreffen immer noch nicht auf ein Gesetz einigen können. Und an wem es liegt, dass bislang kein Kompromiss zustande gekommen ist, steht für die beiden größeren Bündnispartner fest: Die Grünen seien maßlos, wird berichtet.

Offiziell gehen solche Boshaftigkeiten natürlich niemandem über die Lippen. Dafür sind Hintergrundrunden da, in denen jeder so richtig sagen kann, was er vom anderen hält – in dessen Abwesenheit, versteht sich.

Ansonsten haben die Koalitionspartner auch gestern wieder eifrig telefoniert, gemailt und gesimst. Denn so viel steht fest: Bevor der Haushalt 2015 beschlossen ist, sollte auch bei den nicht staatlichen Schulen sichergestellt sein, wie viel Geld sie kriegen.

Die Grünen sehen sich derweil zu Unrecht von Linke und SPD an den Pranger gestellt. Immerhin hätten sie auf die so genannte Bewährte-Träger-Regelung verzichtet. Sie sollte dafür sorgen, dass Träger, deren Arbeit als gut befunden wurde, keine drei Jahre warten müssen, wenn sie neue Schulen gründen wollen. Aber dieses vermeintliche Zeichen des guten Willens war für Linke und Sozialdemokraten nicht ausreichend. Sie hatten – neben den bekannten zwölf Millionen Euro mehr in diesem Jahr – eine Steigerung von 1,9 Prozent ab dem 1. August 2017 offeriert. Legt man die zurzeit weiterhin gültigen 0,25 Prozent zugrunde, für die es einen Beschluss des Koalitionsausschusses gibt, scheint die damit verbundene Steigerung um das beinahe Achtfache nicht gerade schlecht. Denn damit würden 2019 zum Ende der Legislatur etwa 182 Millionen Euro an die freien Schulen fließen, nach dem aktuellen Modell sind es 133 Millionen Euro.

Doch das war aus grüner Sicht ein eher unmoralisches Angebot. Zum einen weil die zwölf Millionen auf sieben Millionen Euro zusammenschrumpfen, da durch die steigenden Schülerzahlen ohnehin fünf Millionen Euro geflossen wären. Zum anderen weil die Grünen vorrechnen, dass mit dem Stichtag 1. August 2017 die freien Schulen am Ende schlechter gestellt seien als mit dem alten Gesetz. Und das sei ja bekanntlich vom Verfassungsgericht kassiert und der Landtag zu einer Neufassung verdonnert worden.

Dass die Richter eine Änderung bis März dieses Jahres gefordert hatten, spielt längst nur noch am Rande eine Rolle. So etwas soll durch rückwirkendes Inkrafttreten eingepflegt werden. Aber auch dafür müsste sich R2G zumindest erst einmal auf ein Paragrafenwerk einigen.

Linke-Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow hatte bereits am Dienstag gesagt, die Grünen hätten „den Bogen überspannt“. Ihr SPD-Kollege Matthias Hey sagte der TLZ gestern: „Es liegt ein sehr gutes Angebot vor. Und wir hoffen, dass die Grünen es annehmen.“ Deren Fraktionschef Dirk Adams scheint sich damit jedoch wenig anfreunden zu können. Er betont: Der 1. Januar 2017, als Stichtag für die einsetzende 1,9-prozentige Steigerung, sei „ein gangbarer Weg“.

Heute wollen sich die Fraktionschef erneut treffen.

Jan Schumann, Elmar Otto / 11.06.15 / TLZ



Fachforum Schulfinanzierung

Aufbruch zu neuen Ufern? Wohin steuert die Gesetzgebung

zu Schulen in freier Trägerschaft?

Moderation: Bernd Hilder, Chefredakteur Thüringische Landeszeitung

Podium:

Rolf Busch, Landesvorsitzender Thüringer Lehrerverband

Kirchenrat Marco Eberl, Vorstandsvorsitzender Ev. Schulstiftung in Mitteldeutschland und Koordinator der LAG der freien Schulträger in Thüringen

Heike Wenk, Referatsleiterin für Schulen in freier Trägerschaft im Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend, Sport

Ingo Krampen, Rechtsanwalt Kanzlei Barkhoff & Partner GbR, Bochum

Mike Mohring, Fraktionsvorsitzender CDU-Fraktion im Thüringer Landtag

Yvonne Neubeck-Aslan, Elternvertreterin Fürstin-Anna-Luisen-Schule und Grundschullehrerin Nikolaischule Mühlhausen

Frank Persike, Bürgermeister Stadt Bad Blankenburg

Marion Rosin, Sprecherin für Bildung SPD-Fraktion im Thüringer Landtag

Astrid Rothe-Beinlich, Parl. Geschäftsführerin und Sprecherin für Bildung Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Thüringer Landtag

Dr. Klaus Scholtissek, Vorsitzender der Geschäftsführung Diakoniestiftung Weimar Bad Lobenstein gGmbH

Ordinariatsrat Winfried Weinrich, Leiter Katholisches Büro Erfurt und Koordinator der LAG der freien Schulträger in Thüringen

Torsten Wolf, Bildungspolitischer Sprecher Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag