Die Diakoniestiftung Weimar Bad Lobenstein gibt hilfebedürftigen Menschen in Thüringen eine Stimme. Das war auch beim 5. sozialpolitischen Kongress am Mittwoch, 14. Mai, in Erfurt so. Mit mehr als 300 Akteuren, Entscheidern und Führungskräften aus der Politik, der Verwaltung, der Kirche, der freien Wohlfahrtspflege, der Sozialwirtschaft und der Banken wurde unter dem Titel Mehrwert für Thüringen! das Thema Wertschöpfung durch soziale Arbeit diskutiert. Offensiv wurden dabei die Werte herausgestellt, die durch soziale Arbeit neu geschaffen werden: für die Lebenswege und Würde vieler einzelner Menschen, für eine den Zusammenhalt fördernde Gesellschaft, für das wirtschaftliche Wohlergehen.
Soziale Dienstleitungen kosten menschliche Kraft, Zeit und Geld - gleichzeitig schaffen sie neue Werte, ohne die eine demokratische Gesellschaft keine Zukunft hat. "Wertschöpfung durch soziale Arbeit beginnt bei guter Förderung und Bildung von Kindern und Jugendlichen und zieht sich durch alle Lebensphasen", sagt Dr. Klaus Scholtissek, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Diakoniestiftung. In der Begrüßung brachte er seine Freude über so viel Interesse an den Themen des Tages zum Ausdruck. Er dankte Thüringens Sozialministerin Heike Taubert für ihre Teilnahme und ihren Redebeitrag. Denn die führende politische Mandatsträgerin für das soziale Leben in Thüringen hält dem Kongress schon seit Jahren die Treue. In ihrem Redebeitrag würdigte sie das Engagement im sozialen Bereich und machte Hoffnungen, dass die Bedingungen in Alten- und Eingliederungshilfe zukünftig verbessert werden.
In der Podiumsdiskussion stand die Frage "Ist der Wert sozialer Arbeit messbar?" im Mittelpunkt. Prof. Bernd Halfar von der Kath. Universität Eichstätt ist Leiter der Arbeitsstelle für NPO-Controlling. Er sagte zu Beginn der Diskussionsrunde, dass aus ökonomischer Sicht ein ehrliches Ergebnis zustande kommt, wenn man fragt, was bei gleichem Geldeinsatz in einer anderen Werkstatt oder in einer anderen Einrichtung für behinderte Menschen erreicht werden kann.
Doch schnell war klar, dass in der sozialen Arbeit nicht nur auf Ökonomie, sondern auch auf die Bedarfe der hilfebedürftigen Menschen und deren Fähigkeiten eingegangen werden muss. Doch trotz allem müsse stets die Frage erlaubt sein: Können wir diese Hilfe noch verbessern?, so Prof. Halfar.
Dr. Paul Brockhausen, der Beauftragte für Menschen mit Behinderung im Thüringer Sozialministerium, stellte in den Raum, dass, wenn nach Mehrwert gefragt wird, auch immer im Blick sein sollte, dass zunächst der Grundwert gesichert sein muss - für jeden behinderten Meschen zu jeder Zeit.
Mit Hartmut Schade kam auch ein Betroffener zu Wort. Er ist Beschäftigter der WfbM in Altengesees und arbeitet dort in der Tischlerei. Vor allem ist er in der Palettenproduktion tätig. Er erzählte von seiner Arbeit und den guten Rahmenbedingungen, doch auch behinderte Menschen wünschen sich mehr Geld für ihre Arbeit. Heinz Dieter Becker, Geschäftsführer der Feintechnik GmbH Eisfeld, war als Vertreter der Wirtschaft im Podium. Er sagte, dass bei ordentlichen Arbeitsbedingungen auch Profit erzielt werden kann und dieser fällt dann so aus, dass auch Menschen mit Behinderungen davon profiteiren können. Mit TA-Redakteur Dietmar Grosser hatte die Runde einen gut informierten Moderator, der beharrlich auf Antworten zu seinen Fragen drängte und auch aktuelles, wie die Berthelsmannstudie und den Aktionstag zur Altenpflege, in die Diskussion einfließen lies.
Fachgespräch Altenhilfe: Quartierskonzepte eröffnen Chancen für alle Generationen
In der Diskussionsrunde erfuhren die Zuhöhrer von zwei neuartigen Projekten des Seniorenwohnens. Im Saale-Orla-Kreis geht ein Agrarbetrieb neue Wege, in dem ein leerstehendes Gehöft zum Seniorenwohnen umgebaut wurde und zum Teil barrierrefreie Wohnungen anbietet. Außerderm stellte mit Aloys Schneider ein Bürgermeister seine Ideen vom Zusammenleben vor. In dem 500 Einwohner zählenden Dorf Külz sind die Menschen besonders gut vernetzt. Es gibt ein Intranet, das zu einer visuellen Wohngemeinschaft verbindet. So haben Nachbarn und Mitbewohner einen kurzen Draht und man kann gut aufeinander reagieren. Ein Fahrzeug wurde zum Seniorenbus umfunktioniert, so dass die älteren Bewohner zum Einkaufen oder zum Arzt kommen können. In einer Wohngemeinschaft für Senioren gibt es barrierefreie Räumlichkeiten, Betreuung und einen ambulanten Pflegedienst.
In der Diskssion ergaben sich dann Fragen wie: Was ist Betreuung? Wo fängt Pflege an? Beide Vertreter der als Quartierkonzept bezeichneten Wohnideen bestätigen, dass sich die Lebensqualität der Bewohner erhöht, wenn sie zusammen leben, sich helfen und unterstützen können.
Fachgespräch Eingliederungshilfe: Werkstatt - Balance zwischen Wirtschaft und sozialem Auftrag
Bettina Schmidt, die Geschäftsbereichsleiterin Eingliederungshilfe der Diakoniestiftung, führte in das Thema ein und erzählte von ihrem Eindruck, dass Werkstätten zu häufig in der Kritik der Öffentlichkeit stehen und sich stets für ihr Dasein rechtfertigen müssen. Um das zukünftig zu unterbinden, soll die Studie zum Social Return on Investment (SROI) zeigen, wie viel Geld vom investierten Geld in Werkstätten für behinderte Menschen an die Gesellschaft zurück fließt. Prof. Bernd Halfar von der Kath. Universität Eichstätt führt die Studie durch und konnte erste Ergebnisse nennen. Er hat berechnet, dass von 100 Euro, die für Werkstätten ausgegeben werden, etwa 50 Euro an die Gesellschaft zurück fließen. Auf Grundlage dieser Information wurde anschließend diskutiert. Und dabei wurde zum Beispiel von Herrn Prof. Dr. Daniel Oberholzer aus der Schweiz deutlich, dass eben nicht nur der finanziell messbare Werte, sondern auch Teilhabe, Stabilität, Lebenssinn als Werte einer Wertkstatt betrachtet werden müssen.
Foto: Podiumsdiskussion des 5. Sozialkongresses: Dr. Klaus Scholtissek (l.) begrüßt die Teilnehmer und führt in das Thema ein.