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Großfamilie im Lockdown

Familie Scholz aus Friesau ist eine besondere Familie, groß und bunt. Neben fünf eigenen Kindern haben Silvia und Horst Scholz fünf Pflegekinder großgezogen und in dieser Zeit weitere zur Kurzzeitbetreuung aufgenommen. Einige sind schon aus dem Haus, drei leben noch in der Familie: Michelle 17, Franziska 25 und Christian 30 Jahre. Michelle absolviert eine Ausbildung, Franziska und Christian wurden mit einer Behinderung geboren und sind in den Werkstätten Christopherushof in Altengesees beschäftigt. An normalen Tagen werden beide vom Fahrdienst Tross abgeholt und nach Altengesees zur Arbeit gebracht.
Doch seit Mitte Dezember sind alle zuhause. Franziska und Christian gehören behinderungsbedingt zur Risikogruppe und können deshalb aktuell noch nicht in die Werkstatt kommen. Sie sind im Rahmen von Homework tätig und haben regelmäßig Kontakt zu Jennifer Binder vom Begleitenden Dienst der Werkstätten und zu ihren Gruppenleitern.
Corona und die Angst vor Ansteckung mit dem Virus haben auch das Leben der Familie Scholz auf den Kopf gestellt. „Alles ist anders doch wir kommen gut zurecht. Wir reden nicht nur von Familie, wir leben das. Bei uns findet wahre Inklusion statt. Unsere Kinder sind mit den Pflegekindern und ihren Einschränkungen aufgewachsen, nun erleben das die Enkel genauso, in der Corona-Zeit sind wir noch enger zusammen gerückt“, sagt Silvia Scholz.
Sie stammt aus dem Raum Berlin, ist zur Ausbildung in die Region gekommen und der Liebe wegen geblieben. Mit ihrem Mann Horst hat sie zunächst in Unterlemnitz gewohnt, dort fünf Kinder großgezogen. „Durch einen Aufruf beim Kinderarzt habe ich erfahren, dass Pflegefamilien gesucht wurden. Das war 1992, ich wollte mich gerade beruflich neu orientieren und dachte, wenn du etwas besonders gut kannst, dann ist es Kinder aufziehen.“  
So kam 1994 Christian aus Sachsen-Anhalt zu Familie. Er wurde mit dem Downsyndrom geboren und war von den eigenen Eltern nicht gewollt. 1995 hat die Familie Franziska aufgenommen. Sie kam ohne Arme und stark verkürzten Beinen zur Welt, ihre Eltern waren überfordert und haben sie abgegeben. 1998 wurde Dennis aufgenommen, er leidet am fetalen Alkoholsyndrom, kam quasi schon betrunken zur Welt und hat mit den Folgen bis heute zu kämpfen. Mittlerweile arbeitet er allerdings in Bayern als Koch und ist nebenher DJ. Sophia, Noah, Sabine und Michelle folgten als weitere Pflegekinder.
Dann ergab sich der Umzug nach Friesau, in dem großen Haus kann sich Franziska fast selbstständig bewegen, auch für alle anderen war mehr Platz notwendig. 
„In der Corona-Zeit zeigt sich, wer zusammen hält. Wir kommen gut klar. Franziska und Christian haben von der Werkstatt etwas Heimarbeit bekommen und stehen in regem Kontakt mit Altengesees. Christian verpackt Schrauben, Franziska malt und außerdem hat sie seit einigen Wochen einen Hund. Der Königspudel-Welpe soll zum Assistenzhund für Franziska werden. In der Zeit zuhause haben sich beide schon bestens aneinander gewöhnt“, sagt Silvia Scholz. Sie kümmert sich um den Haushalt, das Einkaufen übernehmen zurzeit ihr Sohn und die Schwiegertochter. Überhaupt sind die Kinder sehr sozial, alle hätten einen medizinischen Beruf ergriffen, sind Krankenschwester, Pfleger, Erzieher und Podologin, sagt Mutter Silvia. Tochter Alikki und deren Tochter Kalea leben zwar in Ebersdorf, verbringen aber viel Zeit in Friesau. „Ich habe zu Franziska einen besseren Draht als zu meinen eigenen Geschwistern, wir haben einfach denselben Humor“, sagt sie und erinnert an so manches gemeinsame Erlebnis.
Franziska erzählt, dass sie sich rundum wohl fühle, dass ihr auch der Lockdown nicht zu schaffen mache, doch eines fehlt ihr, das regelmäßige Schwimmen in der Ardesia-Therme.

Wer wie Familie Scholz in Friesau Kindern mit oder ohne Behinderung für begrenzte Zeit, längerfristig oder auf Dauer ein liebevolles Zuhause bieten möchte,  kann sich an Familie Scholz oder direkt an den Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V. wenden.

Text/Bilder: Sandra Smailes