Erstmals haben die evangelische Kirche in Weimar und die Diakonie den Herder-Förderpreis nicht an Studierende vergeben, die sich mit dem Werk des Theologen auseinandersetzen, sondern an eine Einrichtung, die dessen Worte lebt: Zum 271. Herdergeburtstag, der am 25. August in der Jakobskirche begangen wurde, zeichneten sie den Kinderclub Kramixxo und den Jugendclub Waggon in West aus. Der fünfte Herder-Förderpreis ist wiederum mit 2.000 Euro dotiert.
Die Einrichtungen in Trägerschaft von Kindervereinigung und Kirchgemeinde würden die Kinder in ihren Bedürfnissen unterstützen, begründete es in der Laudatio Thomas Rusche, Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendmedizin des Weimarer Krankenhauses. Ihre Projekte, darunter das seit einem Jahr existierende „Kochen für Familien“ hätten einen steigenden Zulauf, ebenso wie das gemeinsame Abendessen, sagte Rusche. Wichtig für die Kinder dort sei auch, dass die vier Mitarbeiter auch „einfach mal zuhören, wenn die Seele drückt“.
Rusche hob hervor, wie wichtig gemeinsame Erlebnisse für Familien sind und belegte das am Beispiel von jungen Klinikpatienten mit psychischen Problemen: In der Elterngruppe, die verpflichtend zur Therapie gehöre, würden die Kinder wieder lernen, etwas mit ihren Eltern zu unternehmen und ebenso deren Liebe und Wertschätzung anzunehmen. Kramixxo/ Waggon arbeitet mit der Weimarer Tafel zusammen, die eine steigende Anzahl von Kindern versorgt.
Persönlichkeiten aus Politik, Gesellschaft und Kirche feierten Herders Geburtstag in der Jakobskirche, weil in der Stadtkirche gebaut wird. Das voll besetzte Gotteshaus sei dafür aber eigentlich auch der richtige Ort, hob Superintendent Henrich Herbst hervor. Denn Herder mochte die Nähe und Vertrautheit der eher kleinen Kirche.
Die Festrede mit dem Titel "Die Schatten des Humanismus" hielt Christian Dietrich, Landesbeauftragter des Freistaats Thüringen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. "Der Humanismus war ein modernes Fortschrittsprojekt. Dafür hat Herder wichtige Beiträge geleistet", so Dietrich. "Er ist in seinen Schriften immer wieder der Frage nachgegangen, wie die Werte, die ein gutes menschliches Zusammenleben ermöglichen, gestärkt werden können." Dabei habe er die Individualität als von Gott gewollt und Jesus Christus als den "wahren Mensch" gewürdigt. In der DDR sei der "wahre Humanismus" in der Verfassung als Erziehungsziel verankert gewesen, sagt Dietrich. "Ein totalitärer Humanismus, der zwei DDR-Generationen geprägt hat und als Ostalgie fortlebt, bleibt auch 25 Jahre nach der friedlichen Revolution eine Herausforderung für unsere Demokratie."
In ihren Grußworten schlugen Landtagspräsident Christian Carius (CDU) und Oberbürgermeister Stefan Wolf (SPD) den Bogen zur aktuellen Flüchtlingsproblematik. Beide betonten, dass die Hilfe für Schutzbedürftige mehr sei als Essen und ein Dach über dem Kopf. „Der Mensch steht im Zentrum des Tuns“, übersetzte Carius Herders Konzept in die Gegenwart. In dieser, so Wolf, habe die Stadt mit Kirche und Diakonie wichtige Partner an ihrer Seite.
Nach dem Festgottesdienst waren die Gäste zum Geburtstagsbuffet in den Jakobskirchhof geladen. Dort gab es die Möglichkeit zu Begegnung und Gesprächen. Zum fünften Mal hatten der Evang.-Lutherische Kirchenkreis Weimar, die Diakoniestiftung Weimar Bad Lobenstein gGmbH und das Sophien- und Hufelandklinikum gGmbH Weimar zu diesem Spätsommerfest geladen.
Bild (von Ulrike Holitschke): Wolfgang Hempel (rechts) vom Kramixxo nahm die Ehrung von Chefarzt Thomas Rusche entgegen.