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Mehr als 300 Gäste beim 7. Sozialkongress

Digitale Technik als „intelligente Assistenz“.

Zum 7. Sozialkongress der Diakoniestiftung am 11. Mai in Erfurt

Mit der Digitalisierung steht ein Paradigmenwechsel an, dem sich die Träger sozialer Dienstleistungen nicht verschließen dürfen. Aus diesem Grund hatte die Diakoniestiftung für ihren diesjährigen Sozialkongress das Thema „Digitalisierung in der Sozialwirtschaft“ gewählt.
Mehr als 300 Gäste, darunter Akteure aus Politik, Wirtschaft, Kirche, den sozialen Verbänden, Industrie und Verwaltung, aber auch aus zahlreichen Einrichtungen der Alten- und Eingliederungshilfe in Thüringen und Mitteldeutschland, waren dafür am 11. Mai nach Erfurt gekommen.
In der Begrüßung betonte Dr. Klaus Scholtissek, Vorsitzender der Geschäftsführung der Diakoniestiftung, die Notwendigkeit, sich diesem Thema aktiv und gestaltend zu stellen. In Sachen Digitalisierung dürfe nicht schwarz/weiß gemalt werden, es gelte Chancen und Risiken klug abzuwägen.

Ziel des Kongresses war es, genau dafür zu sensibilisieren. Dazu trugen die Andacht von Regionalbischof Dr. Christian Stawenow ebenso bei wie die Grußworte von Thüringens Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft, Wolfgang Tiefensee, und der Erfurter Bürgermeisterin Tamara Thierbach. Superintendent Henrich Herbst, Aufsichtsratsvorsitzender der Diakoniestiftung, betonte unter Berufung auf den Hauptreferenten des letztjährigen Kongresses, Bischof Wolfgang Huber, dass digitale Technik als „intelligente Assistenz“ für soziale Dienstleitungen erwünscht sei und insbesondere Mitarbeitende entlasten könne.

Prof. Dr. Johannes Eurich, Direktor des Diakoniewissenschaftlichen Instituts der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg, erläuterte Chancen und Risiken im Zuge der Digitalisierung der Sozialwirtschaft: „Es darf nicht dazu kommen, den Menschen zu ersetzen. Die Arbeit der Menschen soll durch Technik lediglich unterstützt und erleichtert werden. Nur da, wo Besserungen für die zu Betreuenden und die pflegende Kraft entstehen, soll Technik zum Einsatz kommen.“ Es müsse nicht alles umgesetzt werden, was in Sachen Digitalisierung angeboten werde, denn der Mensch müsse das Steuerrad in seinen Händen behalten. „Nicht die Maschine darf den Menschen steuern, der Mensch soll zu jeder Zeit über den Einsatz von Technik selbst bestimmen und muss sich auch über die Folgen im Klaren sein“, so Prof. Eurich. Negative Folgen könnten der Verlust von menschlicher Nähe und Zuwendung sein; Vorteile sind dagegen die Rationalisierung von Arbeitsvorgängen, die bessere Planung von Aufgaben und der gezieltere Einsatz von notwendigen Unterstützungsleistungen.

In der anschließenden Podiumsdiskussion stellten sich neben Prof. Dr. Johannes Eurich, Oberkirchenrat Eberhard Grüneberg, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Mitteldeutschland, Joachim Leibiger, Beauftragter der Thüringer Landesregierung für Menschen mit Behinderungen, Kay Senius, Chef der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit, Jens Trümpler, Geschäftsleiter der REHAVISTA Leipzig, und Dr. Cordelius Ilgmann, Abteilungsleiter im Thüringer Wirtschaftsministerium, den Fragen von Paul Andreas Freyer, Moderator des MDR Thüringen Journal. Er leitete diese Podiumsdiskussion mit zugespitzten Fragen, die die Diskussion und das Nachdenken aller Zuhörenden nachhaltig anregten.

Die Gäste zeigten sich nach Hauptreferat und Podiumsdiskussion beeindruckt von all den neuen Möglichkeiten, den Ideen für die Zukunft und den jetzt schon vorhandenen Hilfsmitteln. Darüber wurde während der Pause gesprochen und manches auch konkret ausprobiert, denn der Kongress bot viel zum Anfassen. An sechs Ständen zeigten Anbieter ihre digitalen Produkte, um zum Beispiel älteren Menschen einen längeren Verbleib in der häuslichen Umgebung zu ermöglichen oder um Menschen mit Behinderung Arbeitsplätze zu geben und den Umgang mit Computern zu ermöglichen. So wurde die Digitalisierung in der Sozialwirtschaft zum Greifen nah.


Am Nachmittag gab es vier Fachforen aus den Bereichen Altenhilfe, Eingliederungshilfen, Schulen und Kinder/Jugend/Familien.

Fachforum 1:
Lebensqualität im Alter: Versorgung durch Einsatz moderner Technik sichern
Digitalisierung und Nutzung moderner Technik ist im Bereich der Altenhilfe angekommen: Apps für Senioren, Nutzung intelligenter Softwarelösungen, vernetzte Strukturen durch Datenweitergabe usw. Während viele (vor allem die zukünftigen) Senioren offen sind für solche Lösungen, haben Mitarbeitende oft noch Berührungsängste. Wichtige Aufgabe ist es hier, solche Barrieren zu bewältigen. Genauso wichtig ist es, die Bereitschaft aller Akteure zu fördern, in neue Lösungen zu investieren: Es lohnt sich – so das Fazit im Fachforum, nach dem beeindruckenden Vortrag von Prof. Dr. Thomas Jäschke, Vorstand der smartcircles mHealth AG in Dortmund, mit zahlreichen verblüffenden Praxisbeispielen.

Fachforum 2:
Hände weg - Maschine her? Digitalisierung als Herausforderung in der Eingliederungshilfe

„Zunehmend werden Lebensfragen über die Technik gelöst. WhatsApp, Chats und Onlineforen spielen auch für Menschen mit Behinderung eine große Rolle“, so Prof. Dr. Johannes Eurich Direktor des Diakoniewissenschaftlichen Instituts der Theolog. Fakultät der Uni Heidelberg in seinem Vortrag. Aber nicht nur im Freizeitbereich sondern auch in der Arbeitswelt ist die Digitalisierung auf dem Vormarsch. „Prozesse lassen sich leichter steuern, neue Möglichkeiten können genutzt und neue Aufgaben angenommen werden. Die digitalen Neuerungen stellen uns vor große Herausforderungen und erfordern einen enormen Handlungsbedarf“, so Bettina Schmidt, Geschäftsbereichsleitung Arbeit/ Flüchtlinge/ offene Hilfen. Im Fachforum 2 haben vier Praxisvertreter ihre innovativen digitalen Hilfsmittel für Menschen mit Behinderung vorgestellt. An ihren Messeständen konnten sich die Kongressteilnehmer selbst von diesen Innovationen überzeugen. Prof. Eurich zieht am Ende des Fachforums Bilanz: Es wurden zahlreiche Anregungen gegeben. Die Praxis zeigt, dass sich viele Projekte etabliert haben. Wichtig auch für zukünftige Projekte ist, dass der Kunde im Mittelpunkt steht, denn nur so kann es Effizienzgewinne und eine höhere Zufriedenheit bei den Klienten geben.

Fachforum 3:
Gewandelte Hirnstrukturen: Bildung in Zeiten multimedial vernetzter Kinderzimmer

Prof. Dr. Peter Struck von der Universität Hamburg provozierte und irritierte in seinem fulminanten Vortrag herkömmliche pädagogische Konzepte mit der These, die er durch viele anschauliche Beispiele und Studien belegte: Kinder lernen nicht durch Sehen, Hören und Lesen, sondern durch Rollen- und Theaterspiele, durch ihre Mitschüler in altersverschiedenen Klassen, durch Singen und Sprechen, durch rythmisiertes Lernen (Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung). Insgesamt forderte er überzeugend dazu auf, entwicklungspsychologisches Wissen viel stärker als bisher für schulisches Lernen fruchtbar zu machen.

Fachforum 4:
Smartphone, Tablet & Co.: Methoden zur Unterstützung im Umgang mit Medien in der
Kinder-, Jugend- und Familienarbeit Impuls mit anschließender Diskussion

Medienpädagoge Silvio Müller erklärte den Teilnehmern die Unterschiede verschiedener moderner Kommunikationsmittel und machte auf Sicherheitsrisiken aufmerksam. Im Fokus standen bei dem Vortrag nicht die Kritik an digitalen Medien, sondern die Wahl der richtigen, sicheren Anbieter und der passende Umgang damit. Eine Veranstaltung aus der sowohl Eltern als auch Erzieher und Berater viele Informationen mitnehmen konnten.


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