Diese „Christo“ bekommt während ihres sechswöchigen Reifeprozesses einen Ehrenplatz – und womöglich noch darüber hinaus. Denn gewickelt wurde die Zigarre von den Händen des Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke).
Ohne die fachkundige Anleitung von Simone Oßwald wäre Ramelow allerdings aufgeschmissen gewesen. Wie jeder Laie, der beim Zuschauen in der Zigarrenmanufaktur der Werkstätten Christopherushof sofort die hohe Handwerkskunst erkennt, die bei der Zigarrenproduktion gefragt ist. Der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung war am Montag Anlass für den Besuch in den Bad Lobensteiner Werkstätten. Dort befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Zigarrenmanufaktur der Inklusionsbetrieb LobTec, der im Januar 2017 die Produktion von Spritzgießwerkzeugen und -formen für Elastomere und Kunststoffe aufnahm. Vier Menschen mit Behinderung sind in die Arbeitsabläufe integriert mit dem Ziel, sich auf dem ersten Arbeitsmarkt etablieren zu können.
„Unser Verständnis von Inklusion ist, dass es um jeden einzelnen Menschen geht und wir für jeden eine individuelle, passgenaue Lösung finden in der Förderkette zum ersten Arbeitsmarkt“, sagte Dr. Klaus Scholtissek, Vorsitzender der Geschäftsführung der Diakoniestiftung Weimar Bad Lobenstein. Dazu brauche es „Leidenschaft und Nüchternheit“. Direkt an den Ministerpräsidenten richtete er die Bitte, dass es bei den aktuellen Verhandlungen zu einem Landes-Rahmenvertrag für das neue Bundesteilhabegesetz zu einer Lösung kommt, „die für alle Beteiligten gut, fair und zukunftsfest ist.“
Mit dem Gesetz sollen mehr Möglichkeiten der Teilhabe und mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung geschaffen werden. Unter anderem sollen Bezieher von Eingliederungshilfe künftig mehr von ihrem Einkommen und Vermögen behalten dürfen. Zudem sollen Kommunen und Länder entlastet werden, weil Grundsicherungs- und Eingliederungshilfeleistungen in Zukunft getrennt sowie teilweise vom Bund übernommen werden. Scholtissek: „Die Arbeit für und mit Menschen mit Behinderung benötigt stabile Rahmenbedingungen.“
Dass jeder Mensch eine besondere Fähigkeit besitze, die er einbringen könne, glaubt Bodo Ramelow. In Bad Lobenstein habe er sehen können, wie Grenzbereiche zwischen den Werkstätten und der Industrie verschmelzen. Bei den Inklusionsbetrieben dürfe es nicht auf Geschwindigkeit ankommen, sondern es seien Qualität und Flexibilität entscheidend. „Wir brauchen jeden Menschen mit seinen Fähigkeiten“, betonte Ramelow. Angesprochen auf das in der parlamentarischen Beratung befindliche neue Schulgesetz, in dem Scholtissek auf eine angemessene Berücksichtigung der Erfahrung der Träger von Förderschulen hofft, sagte Ramelow, dass es erstmals einen Paragrafen geben werde, der die Berufsorientierung zum Inhalt hat. „Das hat es in Deutschland noch nie gegeben“, erklärte Ramelow und erinnerte an das Fach UTP (Unterrichtstag in der Produktion), mit dem im DDR-Bildungssystem der Übergang in die Berufsausbildung unterstützt worden war.
Text: OTZ/ Peter Hagen
Bilder: Susann Ludwig