Marco Eberl ist Chef der Evangelischen Schulstiftung in Mitteldeutschland, dem größten Träger freier Schulen in Thüringen. 5000 Kinder und Jugendliche lernen an den 18 Schulen in Thüringen.
Herr Eberl, warum müssen Eltern überhaupt bei Ihnen Schulgeld zahlen?
Weil wir – im Unterschied zu den staatlichen Schulen – etwa ein Drittel der gesamten Kosten selbst stemmen müssen, auch wenn dies nach Schularten differiert. Schauen Sie, ein staatlicher Regelschüler kostet nach Angaben des Statistischen Bundesamtes das Land Thüringen durchschnittlich 9900 Euro pro Jahr. Die freien Schulen erhalten aber nur 5268 Euro vom Land. Dabei ist die Kostenstruktur bei uns ähnlich, auch unser Tarifsystem bildet das staatliche nach. Unterm Strich bekommen wir also nur 53 Prozent der Mittel, die eine staatliche Schule zur Verfügung hat.
Das gilt für die Regelschulen. Und bei den Gymnasien?
Da ist es ganz ähnlich. Der Gymnasiast kostet an den staatlichen Schulen 8700 Euro. Die freien Schulen bekommen aber pro Kopf 4600 Euro, also ebenfalls 53 Prozent.
Die Differenz müssen also die Eltern zahlen?
Nein. Aber einen Teil davon. Bei uns schwankt das Schulgeld zwischen 90 und 150 Euro, der Durchschnitt liegt bei 106 Euro monatlich. Allerdings sind zum Beispiel in den 150 Euro, die in Erfurt zu zahlen sind, auch die Hortkosten enthalten.
Werden die Beiträge sozial gestaffelt?
Es gibt viele Träger, die Staffelungen haben. Wir als Stiftung haben keine Staffelung, sondern Regelungen, das Schulgeld zu vermindern, zum Beispiel wenn die Eltern mehrere Kinder haben. Ein Viertel der Eltern muss nicht das volle Schulgeld zahlen. Wer Hartz IV bezieht, wird auf Antrag ganz befreit.
Wie viele Kinder aus Hartz-IV-Familien haben Sie denn?
Ihr Anteil ist an einigen Grund- und Regelschulen höher als im Durchschnitt der Bevölkerung. Auf die gesamte Stiftung bezogen liegen wir auf dem Niveau der Gesamtbevölkerung.
Also gibt es keine soziale Selektion? Alles nur Vorurteil?
Die These, dass freie Schulen zur Entmischung führen, stimmt jedenfalls für Thüringen so pauschal nicht. Denken Sie bitte auch an die freien Förderschulen und die freien berufsbildenden Schulen, die eine wichtige Aufgabe im Schulsystem erfüllen. Wir haben vor einigen Jahren die soziale Zusammensetzung unserer Schüler mit der Universität Erfurt untersuchen lassen. Da wurden keine signifikanten Unterschiede der Elterneinkommen im Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerung festgestellt.
Sie sind aber schon manchmal an Ihren Schulen unterwegs, oder? Dort trifft man doch eher Kinder aus sogenannten gut situierten Familien.
Ich bin natürlich viel an unseren Schulen unterwegs! Das ist aber nicht meine Erfahrung. Der einzige signifikante Unterschied: Wir haben Eltern, die sich bewusst für eine Schule und ihr Konzept entscheiden. In der beruflichen Struktur haben wir etwas mehr Akademiker und, weil wir ja nun mal eine evangelische Stiftung sind, natürlich auch mehr Theologen und Menschen, die im seelsorgerischen Bereich arbeiten.
Und evangelische Gläubige.
Der Anteil beträgt etwa 50 Prozent. Das ist zwar ein höherer Anteil als in der Gesamtbevölkerung . . .
. . . dort ist er nur halb so hoch . . .
. . . aber staatliche Vorgaben für unsere Grundschulen – wenn sie Bekenntnisschulen sind – sehen vor, dass die Mehrheit der Kinder evangelischen sein muss. Wir steuern aber an den sehr gefragten Standorten mit Quotenregelungen für Familien anderer religiöser Herkunft und ohne konfessionelle Bindung entgegen. Denn unsere Schulen sollen offen für alle Kinder sein. Aber es ist natürlich so, dass christliche Elternhäuser ihre Kinder gerne zu uns schicken. Letztlich fühlen sich alle Kinder in den Schulgemeinschaften wohl - und niemand wird bei uns zum Beten genötigt.
Die Schulgelder sind zuletzt gestiegen. Fürchten Sie nicht, dass sich die soziale Auswahl verstärkt?
Das Schulgeld ist tatsächlich angestiegen, was aber eine Folge der geringen Zuschüsse und der steigenden Tarife ist. Es ist nicht auszuschließen, dass so die soziale Auslese ganz automatisch zunimmt. Wir arbeiten als Stiftung offensiv dagegen an, mit Aufklärung, Beratung, Stipendien. Und ich kann mit etwas Stolz sagen, dass noch keinem Kind der Zugang zu einer evangelischen Schule aus finanziellen Gründen verwehrt wurde. Aber: Der Druck wird größer, und ein hohes Schulgeld kann abschreckend wirken. Deshalb ist der Staat hier in der Pflicht, die Finanzierung auskömmlich zu gestalten.
Also sind wir wieder bei den Zuschüssen vom Land. Sie wollen mehr?
Ich will den Kompromiss, der von der rot-rot-grünen Landesregierung 2015 gefunden wurde, nicht schlecht reden. Er gibt uns Planungssicherheit bis 2020, mit einem festen Sockel und einer jährlichen Steigerung von 1,9 Prozent. Doch wenn gleichzeitig die Personalkosten durch Tarifsteigerungen und Stufenaufstiege um vier Prozent jährlich steigen, reicht das natürlich nicht auf Dauer. Und wenn gleichzeitig das Land die staatlichen Regelschullehrer höher vergütet – was ich vollkommen richtig finde – müssen wir im Interesse der Kolleginnen und Kollegen an der freien Schulen noch einmal reden.
Und was ist nach dem Jahr 2020?
Darüber wollen wir mit der Landesregierung spätestens ab dem nächsten Jahr ins Gespräch kommen. Die freien Schulen in Thüringen kommen an die Grenze der Einsparfähigkeit, gerade bei den Gymnasien sieht man das schon heute. Es wird kein Weg darum herum führen, den Sockelbetrag des Schülerkostensatzes anzuheben.
Quelle: Thüringer Allgemeine, 15.9.2017, Martin Debes