Mut, Ziele und Perspektiven der sozialen Arbeit
Mehr als 325 Gäste sind der Einladung zum 6. Sozialkongress der Diakoniestiftung Weimar Bad Lobenstein gGmbH ins Städtedreieck Saalfeld-Rudolstadt-Bad Blankenburg in die Stadthalle Bad Blankenburg gefolgt.
Das Treffen war geprägt von vielen Begegnungen, Ideen und Meinungen zu den Zukunftsaufgaben der Sozialwirtschaft in Thüringen. Auf sehr starke Resonanz traf der Hauptvortrag vom Bischof Wolfgang Huber. Viele Praxisbeispiele und und kontroverse Diskussionen boten die vier Fachforen.
Fast schon traditionell lädt die Diakoniestiftung Weimar Bad Lobenstein gGmbH im Frühsommer zum größten Sozialkongress nach Thüringen ein. Zum ersten Mal war die Stadt Bad Blankenburg Gastgeber für die Veranstaltung. Unter dem Titel „Mehrwert für Thüringen“ kamen mehr als 325 Entscheider und Akteure aus ganz Mitteldeutschland in die Stadthalle Bad Blankenburg, um neue Impulse für ihre soziale Arbeit mitzunehmen.
Dr. Klaus Scholtissek, Vorsitzender der Geschäftsführung der Diakoniestiftung, sprach in seiner Begrüßung von neuen Herausforderungen in der Sozialwirtschaft und von der Frage: Was treibt uns heute an? Er berichtete von harten Verteilungskämpfen im sozialen Bereich und appellierte: „Thüringen braucht mehr Frauen und Männer, die Verantwortung übernehmen und sich nicht auf die private Scholle zurückziehen.“
Marko Wolfram (SPD), Landrat des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt, machte in seinem Grußwort die enge und seit Jahren gute Zusammenarbeit zwischen freien Trägern und dem Landkreis deutlich: „Wir sind seit Anfang der 90er Jahre mit der Diakoniestiftung verbunden. Es besteht eine ausgezeichnete Partnerschaft, die in allen Bereichen eine wichtige Säule des sozialen Angebotes ist. Wir profitieren von der Kompetenz der freien Träger“.
Der Hausherr und Bürgermeister der Stadt Bad Blankenburg, Frank Persike, gab seiner Freude Ausdruck, dass die Wahl des Standortes auf Bad Blankenburg gefallen ist, betonte die gute Zusammenarbeit zwischen Stadt und Diakonie und erinnerte an den weltberühmten Bad Blankenburger Friedrich Wilhelm August Fröbel (1782 - 1852), den Erfinder des Kindergartens.
Bischof Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Huber, der frühere Ratsvorsitzende der Evang. Kirche in Deutschland, in seinem Vortrag insbesondere fünf Themen auf: Solidarität, Subsidiarität, Inklusion, Digitalisierung und Ökonomisierung.
Ausgehend vom christlichen Glauben steht die Solidarität mit jedem einzelnen Menschen und zugleich im weltweiten Maßstab im Mittelpunkt. Kein Mensch kann aus welchen Gründen auch immer aus der Solidarität ausgeklammert werden. Das gilt zwingend auch für die Solidarität mit den Flüchtlingen, die unter Lebensgefahr nach Europa kommen.
Bischof Huber erläuterte das Prinzip der Subsidiarität, das Zuständigkeiten zwischen den kleineren und größeren Einheiten regelt: Danach sollen Kommunen für diejenigen Aufgaben zuständig sein, die vernünftigerweise selbst regeln können, das Land für diejenigen Aufgaben, für deren Lösung eine übergeordnete Koordination unverzichtbar ist. Eine Folge des Subsidiaritätsprinzips ist auch der in vielen Gesetzen festgeschriebene Vorrang für freie Träger gegenüber staatlicher Leistungserbringung.
Zur Inklusion machte Prof. Huber deutlich, dass diese nicht zum Nulltarif gehe, kein verstecktes Sparprogramm sein könne und eine gewaltige Aufgabe sei, gleichzusetzen mit dem demografischen Wandel. Die Diskussion zu Inklusion in Schulen müsse intensiver und tiefgreifender geführt werden. Bischof Huber erweiterte den Blickwinkel noch erheblich: Die Reichweite der Inklusion „kann man sich exemplarisch an der Berechnung deutlich machen, die von der ‚Aktion Mensch‘ zu den letzten Bundestagswahlen im Jahr 2013 angestellt wurden. Geschätzt wurden sieben Millionen schwerbehinderte Wahlberechtigte, zu denen 21 Millionen Menschen mit schlechter Lesefähigkeit hinzukamen.“ Eine inklusive Gesellschaft muss älteren und alten Menschen Teilhabemöglichkeiten anbieten und sie darf Kinde rund Familien nicht vergessen. Bischof Huber erinnerte daran, dass Deutschland im weltweiten Maßstab die wenigsten Kinder geboren werden: „ In den letzten fünf Jahren hat Deutschland den letzten Platz von Japan übernommen – 8,3 zu 8,4 Kinder pro Jahr auf tausend Einwohner.“
Zum vierten Punkt, der Digitalisierung, betonte Bischof Huber , dass zu viele Menschen der Meinung seien, dass alles was passiert, bekannt sein soll und so die damit verbundenen Gefahren verkennen: Alas Beispiele verwies er Notrufarmbänder bzw. Armbänder, die die menschlichen Vitalwerte rund um die Uhr messen, und und auf ferngesteuerte Rollatoren.
Mit der Ökonomisierung kam er zur wachsenden Vermarktlichung der Hilfeleistungen und warnte davor, dass helfendes Handeln zur reinen „Dienstleistung“ mutiere, die den Menschen aus dem Blick verliert.
In der anschließenden Diskussion verstand es MDR-Moderator Paul Andreas Freyer die Diskussionsteilnehmer und das Publikum zu interessanten und bewegenden Aussagen zum Thema, „Was treibt Sie an?“ zu bewegen. Es wurden viele Fragen der Kongressteilnehmer beantwortet und diskutiert, es wurde gelobt und kritisiert, empfohlen und abgelehnt, aber auch still zugehört und laut Beifall geklatscht.
Am Nachmittag fanden vier Fachforen statt, die jeweils mit interessanten Persönlichkeiten besetzt waren und ebenfalls auf sehr viel Resonanz stießen (s. dazu auch das Programmheft).
Die Teilnehmenden kamen aus ganz unterschiedlichen Motivationen zum Kongress:
Günter Seifer, Ortsteilbürgermeister in Weimar/Nord: Mein Stadtteil hat 6000 Einwohner, ich suche nach Initiativen, Ideen und Neuigkeiten, um das Älterwerden im Stadtteil besser zu gestalten. Der Bürgerrat und die Einwohner bräuchten ein Bürgerzentrum oder ein Mehrgenerationenhaus, bisher haben wir so etwas nicht, vielleicht höre ich hier von neuen Möglichkeiten.
Rainer Ulrich, Abteilungsleiter Soziales im Thüringer Landesverwaltungsamt: Der Kongress bietet eine wunderbare Möglichkeit mit aktiven Parteien der Sozialwirtschaft ins Gespräch zu kommen. In den Pausen kann man sich austauschen und die Fachbeiträge, wie heute von Prof. Huber, ermöglichen einen Blick auf das Ganze ohne ethnische Aspekte zu vergessen. Ich bin zum vierten Mal hier und nehme immer etwas mit, das mich für die Arbeit motiviert.
Ernst-Christoph Römer, Evang. Stadtmission Halle e.V. und LAG Vorstandsvorsitzender Sachsen-Anhalt: Ich bin nach Thüringen gekommen, um zu hören, wie sich Professor Huber zur Frage „Was treibt uns an?“ positioniert. Außerdem möchte ich wissen, wie die soziale Arbeit in Thüringen funktioniert und interessiere mich für die Arbeit anderer Wohlfahrtsverbände, denn bei uns ist einiges anders strukturiert.
Christina Dutz, komm. Leiterin im Sozialamt Saalfeld-Rudolstadt: In der Verwaltung sind wir für die Umsetzung der Gesetze da, die freien Träger und deren Einrichtungen sind die Leistungserbringer. Hier können wir gut miteinander ins Gespräch kommen. Ich treffe Vertreter von verschiedenen Trägern und stimme mich mit Ihnen ab. In den Fachforen gibt es Impulse für die Arbeit und das hilft uns in der Theorie wie auch in der Praxis.
Henryk Kolodziej, Schulleiter der Förderschule und der integrativen Gemeinschaftsschule der Stiftung Finneck: Ich bin bisher bei allen Sozialkongressen der Diakoniestiftung gewesen. Es sind stets interessante und kluge Menschen eingeladen, die Impulse bringen, auf die man selbst vielleicht nicht kommt und die Arbeit nach vorn bringen. Das Thema Sozialwirtschaft hat so viele Aufgabenfelder, es muss immer wieder neu gedacht werden, das gelingt hier. Zum Thema Schulen finde ich hier gute Partner, die unsere Sorgen und Nöte teilen.