Ingo Eisert hat den Fischereischein
Ingo Eisert kann kaum erwarten, dass es endlich Frühling und Sommer wird. Er möchte Angeln gehen und das macht bei wärmeren Temperaturen mehr Spaß. Der 51-jährige Mann aus Saalfeld hat im vergangenen Jahr die Fischereiprüfung erfolgreich abgelegt und konnte nun seinen Angelschein entgegennehmen. Besonders ist das, weil Ingo Eisert eine geistige Behinderung hat, er kann nicht lesen und auch nicht schreiben. Er lebt in einer Wohnstätte in der Saalfelder Brudergasse und ist Beschäftigter der Palettenproduktion in den Werkstätten Christopherushof in Altengesees, die beide zur Diakoniestiftung Weimar Bad Lobenstein gehören. Wochentags fährt er mit dem Bus von Saalfeld zum Arbeitsort.
Mitte vergangenen Jahres hat er das Angeln als Hobby für sich entdeckt. „Wir waren mit einigen Bewohnern nach Kroatien in den Urlaub gefahren und haben eine Angel gekauft. Ingo hat denn die meiste Zeit des Urlaubs am Wasser verbracht und auch mehrere Fische an den Haken bekommen“, erzählt sein Betreuer Lukas Däumler. Zurück in Saalfeld wollte Ingo weiter angeln gehen. Da mussten ihm die Mitarbeiter erklären, dass dies in Deutschland nur mit Fischereischein geht.
Das Interesse an dem Hobby ist nicht vergangen. Deshalb hat sich Herr Däumler mit dem Landesangelverband in Erfurt in Verbindung gesetzt und dort gefragt, ob es für Menschen mit geistiger Behinderung einen Weg gibt, die Prüfung abzulegen. „Mir wurde gesagt, dass der Lehrgang besucht werden muss, es aber für Analphabeten die Möglichkeit gibt, die Prüfung mündlich abzulegen. Ingo wollte das machen und so haben wir zu dritt den Kurs besucht“, erzählt der Betreuer.
Dieser hat an drei Wochenenden in Eichicht stattgefunden. Kursleiter Thomas Roth habe Herrn Eisert gut eingebunden und dann hieß es lernen. 600 Fragen aus den sechs Fachbereichen: allgemeine Fischkunde, Gewässerkunde, Gerätekunde, spezielle Fischkunde, Natur, Tier und Umwelt mussten geübt werden. „Wir haben täglich vorgelesen, Fragen gestellt, Inhalte erklärt. Das war für Ingo aber auch für uns anstrengend, aber sein Wille ist beeindruckend“, erinnert sich Egbert Fötsch, ein weiterer Betreuer.
Ende November hat die Fischereiprüfung im Saalfelder Gymnasium stattgefunden. Herr Däumler und Herr Fötsch haben diese schriftlich abgelegt, Herr Eisert wurde befragt. „Leider hatten die Prüfer nicht bedacht, dass die Fragen in leichter Sprache formuliert werden müssen. Ingo hat nicht alles verstanden und konnte nicht die richtigen Antworten geben. Er hat die Prüfung nicht bestanden“, so Herr Däumler.
Doch aufgeben war nicht, ein Gespräch mit der Prüfkommission hat bewirkt, dass es zu einer Nachprüfung kam, dort durfte der Betreuer hinzukommen und die Fragen leicht verständlich wiederholen. „Das hat wunderbar geklappt, der 51-Jährige konnte die meisten der 60 Fragen richtig beantworten und hat die Prüfung bestanden. Da war die Freude riesengroß. Wir sollten sofort in der Wohneinrichtung und andere Bekannte anrufen und ihnen die freudige Nachricht erzählen“, so Lukas Däumler.
Anfang Januar hat Ingo Eisert seinen Angelschein bekommen und ist nun sehr froh über das erreichte. Das Geld für den Lehrgang und die Prüfung, insgesamt 160 Euro, konnte er selbst bezahlen. Nun wird überlegt, ob er in einen Verein eintritt, um so in Gesellschaft angeln zu können.
Bilder: Stefan Müller
Text: Sandra Smailes