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Zwischen Laserstrahlen und Folienrolle

Teamgeist und Erfinderkraft des Saalfelder Inklusionsbetriebes DeColor24 gGmbH sind erneut einen Beitrag im MDR-Thüringen Journal wert. Dort wird gezeigt, wie echte Barrieren überwunden werden, damit Menschen mit und ohne Handicap miteinander arbeiten können. 

Nach der Entwicklung hochwertiger Folienwickler gibt es schon neue Ideen: > Zum MDR-Beitrag 

 

Zwischen Laserstrahlen und Folienrolle: Saalfelder Betrieb ohne Barrieren
(MDR, 25. September 2025, von Bobo Mertens)

In Saalfeld zeigt eine Inklusionswerkstatt, dass Teamgeist und Erfinderkraft echte Barrieren überwinden können. Hier entstehen neue maßgeschneiderte Maschinen, die alle Mitarbeitenden bedienen können.
In einer Halle am Stadtrand von Saalfeld rattert es, zischt es, manchmal knistert sogar ein Laser. Auf den ersten Blick wirkt DeColor24 wie ein ganz normaler mittelständischer Betrieb: Folien werden aufgerollt, Metallteile entlackt, Rohre für Handwerksbetriebe vorbereitet. Doch hinter den Werkstoren steckt ein besonderes Konzept: Hier arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung Seite an Seite, gleichberechtigt und zum gleichen Lohn.

"Mein Lieblingsgerät heißt Blitz"
Anne Förster steht an einem der Folienwickler. Seit elf Jahren gehört sie zum Team, trotz ihrer Lernbehinderung. Ihre Lieblingsmaschine trägt den Spitznamen "Blitz".
"Die Maschine ist schnell und es ist ein schönes Arbeiten hier dran. Wie der Name schon sagt - blitzschnell", sagt sie und lächelt. Für Anne Förster ist der Betrieb mehr als nur ein Arbeitsplatz: "Das Arbeitsklima ist sehr gut, wir verstehen uns alle. Und ja, Geld verdienen muss man ja auch."

Als neue Maschinen angeschafft werden sollten, stand DeColor24 vor einer Herausforderung. Die Modelle auf dem Markt waren zu kompliziert - mit unzähligen Knöpfen und Funktionen, die für viele Mitarbeitende kaum zu bedienen gewesen wären. Für Anne Förster hätte das bedeutet: Ihr Platz im Betrieb wäre unsicher geworden.
Doch das Team entschied sich anders. Gemeinsam mit einem Elektroingenieur und einem Konstrukteur bauten sie kurzerhand eigene Maschinen - simpel in der Bedienung, barrierefrei für alle. "Ein Ein- und Ausschalter, mehr braucht es nicht", erklärt Geschäftsführer Mario Bartholomaeus. "Unsere Mitarbeiter müssen die Technik verstehen und beherrschen können, sonst ist es keine echte Inklusion." Auch bereits fertige komplexe Maschinen hat der Betrieb für seine Mitarbeiter umgebaut.

DeColor24 ist kein soziales Projekt am Rande des Arbeitsmarkts, sondern ein reguläres Unternehmen mit hohen Qualitätsansprüchen. Kunden kommen aus der Automobilindustrie, dem Handwerk oder der Gastronomie. Entlacken, Eisstrahlen, Laserarbeit - alles passiert hier unter den gleichen Bedingungen wie bei anderen Betrieben.

Perspektive auch für Menschen mit Behinderung
Bartholomaeus hat die Firma 2006 gegründet, mit einer klaren Überzeugung: "Menschen, die zu leistungsfähig für eine Behindertenwerkstatt sind, aber auf dem ersten Arbeitsmarkt trotzdem kaum Chancen bekommen, verdienen eine Perspektive." Deshalb wurde von Beginn an auf Arbeitsplätze gesetzt, die sich den Menschen anpassen - nicht umgekehrt. Maschinen tragen Namen statt Nummern, Bedienelemente sind mit Symbolen statt Text versehen, Hebetische und Kräne erleichtern schwere Arbeiten.
Natürlich gab es Skepsis - von Kunden, Angehörigen, manchmal auch von den Mitarbeitenden selbst. Doch Bartholomaeus und sein Team hielten dagegen. Heute arbeiten hier 35 Menschen, 17 von ihnen mit einer Beeinträchtigung.

Unterstützung und Hürden für Inklusionsbetriebe
Die Rahmenbedingungen für Inklusionsbetriebe sind komplex. Zwar gibt es Förderungen durch das Integrationsamt, Jobcenter oder die Aktion Mensch, doch Bartholomaeus kritisiert, dass fixe Ausgleichszahlungen mit steigenden Löhnen und Kosten nicht Schritt halten. "Vor zehn Jahren war ein Zuschuss von Hundert Euro mehr wert als heute. Wenn ein Mitarbeiter länger für eine Aufgabe braucht, deckt das die Realität oft nicht mehr", erklärt er. 
Dabei sind wir ein ganz normales Unternehmen am Markt - mit denselben Anforderungen, demselben Druck, denselben Zielen.
Mario Bartholomaeus, Geschäftsführer DeColor24.
Auch gesellschaftlich gebe es Nachholbedarf. Viele wüssten gar nicht, was ein Inklusionsbetrieb ist, oder verwechselten ihn mit einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. "Dabei sind wir ein ganz normales Unternehmen am Markt - mit denselben Anforderungen, demselben Druck, denselben Zielen.“

"Kostensteigerungen gefährden Inklusion"
Bestätigt wird diese Einschätzung auch von unabhängiger Seite. Michael Weiß, Geschäftsführer der Fachberatung für Arbeits- und Firmenprojekte (FAF), verweist auf die Ergebnisse einer bundesweiten Befragung: "Kostensteigerungen werden von den Inklusionsbetrieben als größtes Gefährdungspotenzial eingeschätzt - insbesondere die kommenden Erhöhungen des Mindestlohns und deren Auswirkungen auf das gesamte Lohngefüge, aber auch Preissteigerungen bei den Betriebskosten." 
Höhere Kosten könnten nicht immer an die Kunden weitergegeben werden.
Zugleich lobt Weiß das Engagement des Integrationsamtes Thüringen. Mit dem neuen Sonderprogramm sei ein starkes Signal gesetzt worden. "Davon profitieren besonders die Inklusionsbetriebe als Arbeitgeber des allgemeinen Arbeitsmarktes", erklärt er. Er verweist darauf, dass erstmals eine eigene Projektförderung für Betriebe mit hoher Beschäftigungsquote geschaffen wurde - ein Schritt, der die besondere Rolle dieser Unternehmen sichtbar macht.

Wie Thüringen nachsteuern will
Auch das Thüringer Ministerium für Soziales hat den Handlungsbedarf erkannt und versucht gegenzusteuern. Denn noch immer erfüllen nur rund 45 Prozent der beschäftigungspflichtigen Unternehmen in Thüringen vollständig ihre gesetzliche Pflicht, schwerbehinderte Menschen einzustellen. 20 Prozent verweigern sich ganz. Gleichzeitig wächst die Zahl der Inklusionsbetriebe langsam, aber stetig: von 34 Ende 2023 auf 38 ein Jahr später.
Mit dem Sonderprogramm "Inklusive Arbeitswelt Thüringen" stellt das Land bis 2030 rund zehn Millionen Euro bereit. Das Programm fördert Arbeitgeber, die schwerbehinderte Menschen einstellen, mit Prämienzahlungen. Außerdem können Inklusionsbetriebe Investitionen in moderne Technik oder energetische Sanierungen fast vollständig gefördert bekommen - bis zu 200.000 Euro pro Projekt.

Mehr Mobilität, mehr Vernetzung
Relativ neu ist auch die Möglichkeit, Zuschüsse für Fahrdienste zu beantragen, wenn der öffentliche Nahverkehr im ländlichen Raum fehlt oder zu Schichtzeiten nicht fährt. Damit will das Land gerade dort Barrieren abbauen, wo Mobilität zur größten Hürde für Teilhabe wird.
Darüber hinaus soll die Zusammenarbeit der Ämter effizienter werden. Jobcenter, Rentenversicherung und Integrationsamt treffen sich inzwischen regelmäßig, um Doppelarbeit zu vermeiden und Betriebe wie DeColor24 schneller unterstützen zu können.

KI soll bei mehr Inklusion unterstützen
Für Mario Bartholomaeus ist klar: Inklusion bedeutet nicht Sonderbehandlung, sondern gleiche Bedingungen für alle - mit Rücksicht auf individuelle Stärken. “Wenn wir Pausen machen, gibt es keine Sondergruppen. Alle sitzen zusammen. Das ist selbstverständlich.”
Und auch technisch blickt er nach vorn. Künstliche Intelligenz soll künftig helfen, Einsatzpläne noch besser auf individuelle Bedürfnisse abzustimmen oder Sicherheitsunterweisungen in einfacher Sprache und mehreren Sprachen zugänglich zu machen. Tablets dafür sind bereits bestellt.

Anne Förster bleibt währenddessen bei ihrem "Blitz". Die neuen, selbstgebauten Maschinen haben noch keinen Spitznamen, aber sie weiß schon jetzt: Auch an ihnen fühlt sie sich sicher. "Das Arbeiten ist sehr einfach, sehr schön. Ich möchte, dass alles so bleibt, wie es ist."

von Bobo Mertens, MDR THÜRINGEN

Kontakt: Mario Bartholomaeus, Geschäftsführer
Industriestraße 1, 07318 Saalfeld
Tel.: 03671 - 5256-4400, Mobil: 0151 - 12145905
Mail: M.Bartholomaeus@diakonie-wl.de

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