/suche/

Bildung ist mehr - Empowerment in der sozialen Arbeit

Mehr als 370 Gäste sind der Einladung der Diakoniestiftung Weimar Bad Lobenstein am 19. März 2025 gefolgt, um am 14. Sozialpolitischen Kongress teilzunehmen.

„Bildung ermöglicht aufgeklärtes, kritisches und sachgerechtes Urteilen und Handeln. Sie verbindet emotionale, charakterliche und geistige Reifung mit gesellschaftlichem und politischem Rüstzeug. Damit stellt sie sich den Verlockungen der Freund-Feind-Bilder in den Weg. Unser Kongress lebt von der Begegnung unterschiedlicher Perspektiven“, so hieß es schon in der Einladung zum Kongress. 

> Zur Bilderschau
> Zur Diakonal 2025 zum Kongress-Thema Bildung ist mehr - Empowerment in der sozialen Arbeit 

Der Kongress startete mit einer Andacht von Manuel Kaiser, Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Bad Blankenburg. 

Nach der Begrüßung durch Dr. Klaus Scholtissek, Vorsitzender der Geschäftsführung der Diakoniestiftung, erinnerte Henrich Herbst, Superintendent des Kirchenkreises Weimar und Vorsitzender der Aufsichtsgremien der Diakoniestiftung, an eine Längsschnittstudie zu „gefährdeten Kindern“ von Emmy Werner: Sie konnte zeigen, dass es einem Drittel dieser Kinder gelang, eine ausreichende Resilienz zu entwickeln. Daraus lässt sich die Frage für den Kongress ableiten: „Wie können Faktoren, die schützen, sich entfalten?“ 

Staatssekretär Dr. Bernd Uwe Althaus blickte in seinem Grußwort auch auf die eigenen langjährigen beruflichen Erfahrungen zurück, die ihn als profunden Kenner und Mitgestalter der Thüringer Bildungs- und Schullandschaft ausweisen. 
Thomas Schubert, Bürgermeister von Bad Blankenburg, nutzte sein Grußwort, um für Bad Blankenburg zu werben: Wo könne man passender einen Kongress zum Thema Bildung veranstalten als in der Fröbelstadt Bad Blankenburg? Hier gründete Friedrich Fröbel 1840 den ersten Kindergarten weltweit und setzte damit einen Meilenstein der frühkindlichen Bildung.

„Handlungsfähig werden - Bildungsprozesse in Empowerment-Perspektive“ – unter dieser Überschrift hielt Prof. Dr. Michael Domsgen, Direktor des Center for Empowerment Studies der Uni Halle, den ansprechenden Hauptvortrag. Es gelang ihm ausgezeichnet, Impulse aus der christlichen Tradition und aus der modernen human- und sozialwissenschaftlichen Perspektive zusammenzuführen: Beiden geht es zentral darum, Menschen „aufzurichten“ und „neu auszurichten“, ihnen selbst bestimmte und mündige Teilhabe zu ermöglichen.   

> HIER gelangen Sie zur Präsentation zum Vortrag

Im Anschluss an diesen Vortrag gab es eine lebhafte Diskussion mit Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen beruflichen Handlungsfeldern: 
Dr. Bernd Uwe Althaus, Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft u. Kultur; 
Prof. Dr. Michael Domsgen, Direktor des Center of Empowerment Studies der Uni Halle; 
Marco Eberl, Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Schulstiftung in Mitteldeutschland St. Johannes; 
OKR Christoph Stolte, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Mitteldeutschland; 
Christina Winterfeldt, Schulleiterin der Evangelischen Gemeinschaftsschule Weimar; 
Dr. Franziska Wittau, Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen.

Schwerpunkte der Podiums- und Plenumsdiskussion, die von Pfarrerin Dr. Laura-Christin Krannich souverän moderiert wurde, waren konkrete Praxisschritte, die Empowerment ermöglichen, und die persönlichen wie strukturellen Gelingensbedingungen, wie Menschen sich in ihren jeweiligen Lebenssituationen „aufrichten“ und „neu ausrichten“. Mehrfach betont wurden auch Risiken in diesem Prozess der Befähigung bzw. Beauftragung.

Dr. Bernd Uwe Althaus unterstrich, dass Schule auf der Höhe der Zeit nicht „allein“ stehen dürfe: In vorhandene und neue Lern- und Schulkonzepte sollen auch Eltern, Fördervereine und Ehrenamtliche eingebunden werden. Dafür biete das Land Thüringen gute Rahmenbedingungen. Die Lehrpläne geben Freiräume, schaffen Netzwerke und ermöglichen damit auch Formate, wie diesen Kongress der Diakoniestiftung.
Mehrere Gesprächsgänge in der Podiumsdiskussion griffen die Frage auf, wieviel Freiheitsräume Bildungseinrichtungen brauchen, um die Thüringer Bildungslandschaft vielfältig und innovativ zu entwickeln. Anders gefragt: Wo braucht es welche staatlichen Rahmenvorgaben, die Freiheit nicht erdrücken und gleichzeitig wichtige Qualitätsstandards sicherstellen? Frau Dr. Wittau erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass die große Zahl der Schulen nicht aus dem Blick geraten darf, die mit fortgeschrittenen und sich überschneidenden Herausforderungen konfrontiert sind und z.B. über keine engagierte Elternschaft verfügen.   
Christoph Stolte wies auf eine Gefahr und einen Lernprozess hin: Alles helfende, bildende, assistierende Handeln muss immer Hilfe zur Selbsthilfe sein und darf nicht in offene oder subtile Abhängigkeiten führen. Empowerment-Prozesse wirken in diesem Sinne institutionskritisch und stimulierend für Innovationen.  

Am Nachmittag, nach einer Pause mit Zeit und Raum für Gespräche und Begegnungen, fanden vier Fachforen statt: 

Pflege zwischen Ausbildung und Bachelor - Braucht das Gesundheitswesen die Akademisierung? 

Luise Mirza (Sophien- und Hufeland Klinikum Weimar) und Benjamin Ihmels (Haus Elisabeth in Saalburg-Ebersdorf) sprachen über die ermächtigende Wirkung ihres Pflegestudiums, über ihre Berufserfahrungen mit dem Pflegestudium im Rücken, ein kompetenzorientiertes Zusammenspiel im Team und lösten damit lebhafte Diskussionen aus. 1/3 der über 30 Teilnehmerinnen in diesem Workshop waren selbst Pflegende mit einer akademischen Ausbildung in der Pflege. Es war ein intensiver Dialog über den praktischen Einsatz von Fachkräften, die z.T. taufrisch über ihre Studien und die Auswirkungen auf die Praxis berichteten. Einig waren sich alle darüber, dass alle Qualifizierungsstufen in den verschiedenen Aufgabenfeldern der Pflege ihre Berechtigung haben, vor allem aber, dass die Pflege nicht länger von anderen Berufsgruppen „dirigiert“ werden sollte, die Zeit für Empowerment ist da. Im internationalen Vergleich gibt es in Deutschland viel Nachhol-Bedarfe, die Gesetze dafür sind schon in der Pipeline.  Ein zweiter Arbeitskreis Akademisierung wird sich nun in der Diakoniestiftung gründen.

Begegnen mit Respekt - Eingliederungshilfe zwischen Überbehütung und Überforderung 

Willem Kleine Schaars entwickelte sein Assistenz-Modell, um Menschen in Abhängigkeitsverhältnissen zu helfen, ihre Selbstbestimmung zurückzugewinnen und eigene Entscheidungen zu treffen. Durch seine langjährige Arbeit in Einrichtungen für Menschen mit geistiger Behinderung und in der Psychiatrie erkannte er, wie oft Betreuer Entscheidungen stellvertretend treffen, obwohl die Klienten in der Lage wären, dies selbst zu tun. 
Im Fachforum wurde das Modell von ihn persönlich vorgestellt, wo Fachleute und Interessierte intensiv über das Konzept und dessen praktische Anwendung diskutierten. In Videoaufnahmen konnten die Teilnehmenden beobachten, was passiert, wenn Betreuer nicht anwesend sind – und wie in einigen Fällen Abläufe in Eigenregie der Klienten besser funktionierten als unter Beteiligung der Betreuer. 
Das Modell stärkt somit die Selbstbestimmung und zeigt, wie wichtig es ist, den Betroffenen Raum für eigene Entscheidungen zu geben. Es gab spannende Diskussion an denen sich vor allem auch Werkstatt- und Heimbeiräte beteiligen und das Konzept begrüßten. 
 

Empowerment in der Schule, Chancen und Herausforderungen für Schule und den Sozialraum. Erfahrungen und Perspektiven aus der gelebten Praxis vor Ort.

Das Fachforum konnte den roten Faden vom Hauptvortrag vom Vormittag (Prof. Domsgen) in den Nachmittag weiterführen und fragte im Diskurs nach Chancen und Herausforderungen von Empowerment-Prozessen in Schule und den jeweiligen Sozialräumen. 
Der Referent Dr. Georg Bucher/Center for Empowerment Studies an der Uni Halle bot zusammen mit den Schulleiterinnen Annett Richter (Michaelisschule und Montessori-Gemeinschaftsschule Bad Lobenstein) und Christina Winterfeldt (Evangelische Gemeinschaftsschule Weimar) konkrete Ideen an, wie Empowerment-Prozesse in der Schule ermöglicht werden können. 
In einem lebendigen Austausch mit den Teilnehmenden wurden Best-Practise Beispiele in den Blick genommen. Es wurde deutlich: Empowerment in der Schule braucht sensible pädagogische Begleitung (Befähigung der Schülerinnen und Schüler), aber auch konzeptionelle Freiräume und den Mut, etwas zu riskieren (Bevollmächtigung der Schüler). 

Resilienz als Aufgabe. Herausforderungen meistern durch lebenslanges Lernen

Dilan Schuani (Resilienz Akademie Göttingen) zeigte in ihrem Workshop anschaulich, wie Resilienz entsteht und gelernt werden kann, um die verschiedensten Herausforderungen des Lebens zu meistern. Resilienz bezeichnet die Fähigkeit eines Menschen oder eines Systems, trotz widriger Umstände mental gesund zu sein und die täglichen Herausforderungen des Lebens zu meistern. Resilienz ist eine Kernkompetenz in einer sich rasant verändernden Welt. Dabei ist es von hoher Bedeutung, eigene Emotionen wie Freude, Glück, Zuneigung, Überraschung aber auch Ärger und Trauer wahrzunehmen. Emotionen sind komplexe menschliche Reaktionen auf bestimmte Reize oder Situationen. Es geht um die Frage: Wie kann ich mich in eine gute Balance bringen, um meinem Gegenüber mit Respekt und Menschlichkeit zu begegnen. 

Passend zum Kongressthema haben die Werkstätten Christopherushof in Altengesees ein fast zwei Meter hohes Werte-Jenga gebaut und als Premiere in Bad Blankenburg vorgestellt: Toleranz, Pressefreiheit, Menschenwürde, Liebe, Achtung, Bildung, Selbstreflektion, Nächstenliebe und andere Leitwörter mehr stehen auf den Spielsteinen, die sich gegenseitig stützend und stabilisierend einen Turm bilden. Werden einzelne Spielsteine herausgezogen, kann es schnell zum Einsturz kommen.  

Großer Dank gilt den Sponsoren und Kooperationspartnern des Kongresses, von denen viele aktiv teilgenommen und mit Ständen vertreten waren. Erneut durften wir die Organisation des Kongresses durch Frau Ludwig, die freundliche Allgegenwart des Empfangsteams aus den eigenen Reihen sowie die professionale Unterstützung des Teams der Stadthalle Bad Blankenburg (Service und Technik) genießen.     

> Zur Bilderschau
> Zur Diakonal 2025 zum Kongress-Thema Bildung ist mehr - Empowerment in der sozialen Arbeit 
> Zum Flyer Werte-Jenga